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Lage des Fundplatzes
Lagerplätze
Werkplätze
Feuersteinfunde
Tierdarstellungen
Auffindung des Schieferplättchens
Weitere gravierte Funde
Datierung
Forschungschronik

Frühe Kunst vom Kapellenberg bei Groitzsch

Ort: Groitzsch (Jesewitz, Nordsachsen)
Typ: Station/Lager/Rastplatz
Datierung: Magdalénien | 12500 - 12000 v. Chr.

Beschreibung

Der älteste Hinweis auf Kunst in Sachsen stammt vom Kapellenberg bei Groitzsch, einem Ortsteil ca. 2 km südlich von Eilenburg. Die heute vor allem ackerbaulich genutzte Fundstelle ist bereits seit über 120 Jahren über Lesefunde altsteinzeitlicher Feuersteingeräte bekannt. In den Jahren 1952 bis 1961 fanden im Bereich der Geländekuppe Ausgrabungen statt. Geleitet wurden sie von dem Archäologen Helmut Hanitzsch. Während der Grabungen wurden bis zu 154000 Steinartefakte geborgen, die den Fundort dem späten Jungpaläolithikum zuweisen, dem sogenannten Magdalénien. Berühmtheit erlangte der Fundort aber durch ein Schieferplättchen auf dem mit Ritzungen die figürliche Darstellung von insgesamt drei Pferden zu sehen ist. Zwischen 1996 und 2004 fanden auf dem Kapellenberg weitere Nachgrabungen durch das Landesamt für Archäologie Sachsen statt. Erst 2010 wurde unter den Altfunden ein weiteres Artefakt mit Pferdedarstellung erkannt. Groitzsch ist nicht bloß der bislang einzige Fundort altsteinzeitlicher Kunst, sondern auch der größte und fundreichste seiner Zeitstellung in Sachsen.

Annemarie Reck

Lage des Fundplatzes

Die Geländekuppe ist Teil eines saaleeiszeitlichen Endmoränenrückens. Sie überragt das umliegende Gelände markant um 25 m. Ein Altarm der Mulde, die heute etwa 1 km entfernt vorbeifließt, befindet sich unmittelbar östlich des Hügels. Für Jagdgemeinschaften des späten Jungpaläolithikums war dies eine sehr günstige Lage. Die Geländekuppe bot ihnen eine weitreichende Übersicht über die Umgebung, zudem sicherte der nahe Flusslauf ihnen die Versorgung mit Trinkwasser und lockte möglicherweise auch vorbeiziehende Tierherden an. Außerdem fanden sie im Material der Endmoräne genügend Feuerstein zur Herstellung von benötigten Steingeräten.

Annemarie Reck

Bildquelle P. de Vries, Foto ©LfA 2013.

Lagerplätze

Bereits anhand der Oberflächenfunde konnten vier Aktivitätszonen (A–D) unterschieden werden. Diese wurden während der Ausgrabungen von 1952 und 1961 untersucht. Die Grabung wurde 1972 von Hanitzsch umfassend publiziert. Mit einer Grabungsfläche von 1100 m² kann Groitzsch zu den größeren Plangrabungen nach dem Zweiten Weltkrieg gezählt werden. Im Bereich der Aktivitätszonen konnten anhand von Fundkonzentrationen insgesamt sieben Werkplätze und zwei mögliche Zeltplätze genauer identifiziert werden.

Annemarie Reck

Bildquelle H. Hanitzsch 1972, 21.

Werkplätze

Die Werkplätze bemaßen je zwischen 40 und 250 m². Dabei gelang es Schlagplätze von anderen Arbeitsplätzen zu unterscheiden. An den Schlagplätzen wurden vor allem Kernsteine, Produktionsabfälle wie Abschläge oder unfertige Geräte gefunden. Sie erlaubten dem Ausgrabungsteam einen Einblick in die verschiedenen Bearbeitungsschritte, die bei der Produktion von Steinwerkzeugen nötig sind und lassen darauf schließen, dass innerhalb der Gruppe einzelne Personen auf die Herstellung spezialisiert waren. An den als Arbeitsplatz angesprochenen Bereichen fanden sich oft mehrere unterschiedliche Geräte, die nicht selten Gebrauchsspuren aufzeigten. An zwei Stellen wurden ovale Steinpflaster angetroffen, von 5,20 x 3,20 m und 4,70 x 2,40 m Größe, die Hütten oder Zelte vermuten lassen.

Annemarie Reck

Bildquelle R. Moschkau, Foto ©LfA 1956.

Feuersteinfunde

Bemerkenswert ist die hohe Anzahl an geborgenen Funden: über 154000 Steinartefakte kamen während der Ausgrabungen zutage. Davon ließen sich ca. 2600 als typische Gerätformen ansprechen sowie 280 als Sonderformen. In allen Inventaren der Groitzscher Fundplätze fanden sich die im späten Jungpaläolithikum besonders häufig auftretenden Formen Bohrer und Rückenmesser oder auch Stichel, Kratzer und Zinken. Am Fundplatz B treten zudem mehrere segmentförmige Rückenspitzen auf, während an Fundplatz C vor allem Kerngeräte vorkamen. Die ausgesprochen hohe Fundmenge ermöglichte nähere Untersuchungen zu Schlagtechniken und den Vergleich mit anderen großen Fundinventaren. 1958 kam im Bereich von Fundplatz D der berühmteste Fund von Groitzsch zutage: ein kleines graviertes Plättchen aus dunkelgrauem Tonschiefer, auf dem drei Pferde zu sehen sind.

Annemarie Reck

Bildquelle V. Geupel/J. Vollbrecht, 14 ©LfA 2000.

Tierdarstellungen

Auf dem kleinen Schieferplättchen sind mehrere Tierdarstellungen zu sehen. Auf einer Seite sind zwei Pferde zuerkennen, deren schnauzen sich an einer Schmalseite berühren. Das darunter liegende scheint erst nach dem ersten eingeritzt worden zu sein. Erst später entdeckte man auf der Rückseite eine dritte Pferdedarstellung. In den letzten Jahren wurde außerdem bemerkt, dass es sich bei der Abbildung auf der Rückseite um ein sogenanntes Vexierbild handeln könnte. Um 180° gedreht könnte man den Torso und die Hinterbeine eines Mammuts erkennen.

Annemarie Reck

Bildquelle Archæo 7, 2010, 40.

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Auffindung des Schieferplättchens

Das Bild zeigt die Übergabe des Schieferplättchens von Rolf Dunkel an Helmut Hanitzsch während der Grabung 1958. Dem Grabungsmitarbeiter fielen die Ritzungen in dem Blättchen sofort auf. An einer Schmalseite ist eine deutliche Bruchstelle zu sehen. Einige Kanten sind sichtbar abgestoßen. Die einstige Form und Größe des heute etwa langrechteckigen Plättchens sind daher unklar. Eine Parallele in der eiszeitlichen Kunst findet sich an etwa 70 km von Groitzsch entfernt gelegenen Saaleck.

Annemarie Reck

Bildquelle G. Wetzel, Foto ©LfA 1958.

Weitere gravierte Funde

Erst jüngst wurde auf einem Altfund aus Tuffitstein eine weitere Pferdegravur entdeckt. Die aufgrund des gröberen Materials weniger deutlich sichtbaren Strichbündel offenbaren ihre Form im 3D-Scan. Ein weiteres besonderes Stück ist ein verkieseltes Holzstück von mehreren parallelen Linien, die eine Art Zick-Zack-Muster bilden.

Annemarie Reck

Bildquelle Foto ©LfA 1960.

Datierung

Da vor Ort weder Knochen- oder Holzkohleerhaltung vorlag, noch eine geologische Datierung der Fundschichten möglich war, ließen sich die einzelnen Fundplätze (A-D) nur anhand typologischer Unterschiede an den Feuersteingeräten und stratigraphischer Beobachtungen einer Zeitstellung zuordnen. Auf diese Weise wurden die Fundplätze Groitzsch A1 und D dem älteren Alleröd-Interstadial zugewiesen, während A2 und C in das jüngere fallen. Der Fundplatz B entspricht in seinem Typenspektrum Formen der jüngeren Dryas. Demnach wäre der Kapellenberg von Groitzsch über tausend Jahre hinweg, zwischen ca. 12500 und 11000 vor Chr., immer wieder von altsteinzeitlichen Gruppen aufgesucht worden.

Annemarie Reck

Bildquelle A. Kinne, Foto ©LfA 2011.

Forschungschronik

1895
Erste gemeldete Lesefunde von Feuersteinartefakten.
1952 – 1961
Erste Grabungen unter der Leitung von Helmut Hanitzsch. Während der Kampagne 1958 wurde ein Schieferplättchen mit Pferdedarstellungen geborgen.
1972
Publikation der Grabungsergebnisse von Helmut Hanitzsch.
1996 – 2004
Nachgrabungen durch das Landesamt für Archäologie Sachsenunter der Leitung von Lothar Herklotz und Ingo Kraft.
2010
Identifizierung eines weiteren Steins mit Pferderitzungen im Inventar der Altgrabung.
2018
Kontrolle von Bodeneingriffen im Bereich der Fundstelle unter Leitung von Matthias Rummer.
Annemarie Reck

Bildquelle Foto ©LfA 1929.

Literatur

Helmut Hanitzsch, Groitzsch bei Eilenburg. Schlag- und Siedlungsplätze der späten Altsteinzeit. Veröffentlichungen des Landesmuseums Dresden 12, 1972.
Ingo Kraft, Die Pferdegravierungen von Groitzsch, Neues zu einem altbekannten Stück figürlicher Eiszeitkunst. Archæo 7, 2010, 37–41.
Ingo Kraft, Eine weitere Pferdegravierung von der spätmagdalénienzeitlichen Fundstelle Groitzsch bei Eilenburg, Lkr. Nordsachsen. In: Regina Smolnik (Hrsg.), Ausgrabungen in Sachsen 7. Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege, Beih. 34 (Dresden 2020) 324–328.
Sabine Lienen-Kraft, Imagination. In: Sabine Wolfram (Hrsg.), In die Tiefe der Zeit, 300.000 Jahre Menschheitsgeschichte in Sachsen, Buch zur Dauerausstellung, 2014, 70–73.

Hinweis zum Denkmalschutz

Archäologische Denkmäler stehen unter dem Schutz des Sächsischen Denkmalschutzgesetzes. Für Bodeneingriffe oder Baumaßnahmen ist eine denkmalrechtliche Genehmigung erforderlich.

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Zitat des Beitrags / Citation

Annemarie Reck, Frühe Kunst vom Kapellenberg bei Groitzsch. In: Landesamt für Archäologie Sachsen, Website archaeo | SN (01.02.2024). https://archaeo-sn.de/ort/fruehe-kunst-vom-kapellenberg-bei-groitzsch/ (Stand: 06.05.2024)

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